Vergiftung bei Kindern: Soforthilfe kann Leben retten

Jedes Jahr vergiften sich hierzulande rund 100.000 Kinder. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Säuglinge und Kleinkinder unter drei Jahren. Kliniken und niedergelassene Ärzte sind verpflichtet, diese Vergiftungsfälle dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zu melden. Was Sie als Eltern bei Vergiftungserscheinungen Ihres Babys tun sollten, können Sie hier nachlesen.

Was sind Vergiftungen?

Vergiftungen (Intoxikationen) sind Reaktionen des Körpers auf den Kontakt mit giftigen Substanzen. Die Gifte gelangen durch den Hautkontakt, über die Atemwege und den Mund in den Körper des Kindes. Kinder ab dem Krabbelalter bis zum vierten Lebensjahr sind besonders gefährdet, weil sie ihre Umgebung erkunden möchten. Sie fassen alles an, was sich in greifbarer Nähe befindet und stecken es sich in den Mund.

Mitunter schlucken sie es sogar hinunter. 80 % der Vergiftungsunfälle geschehen im Haushalt. Um ihre wachsende Neugier zu befriedigen, öffnen die Kinder Küchenunterschränke und trinken Geschirrspülmittel und Allzweckreiniger. Auch die mitunter giftigen Zimmer- und Gartenpflanzen sind vor ihnen nicht sicher. 

Kleine Kinder essen Zahnpasta, auf dem Boden liegende Zigarettenkippen und Mamas Tabletten, nachdem sie sich am Tisch hochgezogen haben. Jede zweite dem BfR angezeigte Vergiftung wird durch das Verschlucken von Medikamenten verursacht. Außerdem vergreifen sich Säuglinge und Kleinkinder häufig an Wasch- und Spülmitteln, Haushaltschemikalien, Giftpflanzen und Alkoholika. 

Rufnummern der Giftnotrufzentralen für Kinder und Giftinformationszentralen (GIZ)

Stellen Sie bei Ihrem Baby Anzeichen einer Vergiftung fest, rufen Sie bitte sofort eine der Telefonnummern des Giftnotrufs für Babys an. Es gibt bundesweit diverse Giftnotruf Kinder Anlaufstellen. Sie beantworten rund um die Uhr Fragen wie Was kann man bei der Vergiftung seines Kindes tun und Was zählt zu den Symptomen einer Vergiftung beim Baby. Natürlich können Sie dort auch anrufen, wenn Sie sich über die Beseitigung potenzieller Gefahrenquellen in Haus und Garten informieren möchten. 

Giftnotrufnummern/Giftzentralen für Kinder: 

  • Baden-Württemberg:  0761/19240

  • Bayern:  089/19240

  • Berlin/Brandenburg:  030/19240

  • Bremen/Hamburg/Niedersachsen/Schleswig-Holstein:  0551/19240

  • Mecklenburg-Vorpommern/Sachsen/Sachsen-Anhalt/Thüringen:  0361/730730

  • Nordrhein-Westfalen:  0228/19240

  • Rheinland-Pfalz:  06131/19240

  • Saarland:  06841/19240

Allgemeine Symptome einer Vergiftung bei Kindern

Welche Vergiftungserscheinungen bei einem Kleinkind auftreten, richtet sich unter anderem danach, mit welcher Substanz es sich vergiftet hat und wie groß die aufgenommene Menge war. Es gibt Toxine, von denen schon kleinste Mengen tödlich sind. Andere Giftstoffe wirken erst in höherer Dosis. Hinzu kommt, dass jeder Körper auf schädliche Substanzen anders reagiert.

Dass Ihr Kind eine Vergiftung erlitten hat, erkennen Sie an allgemeinen Anzeichen wie:

  • Übelkeit, Erbrechen, erhöhtem Speichelfluss

  • Bauchkrämpfen

  • Schwindel, unsicherer Gang, starkes Zittern

  • Apathie bis hin zur Bewusstlosigkeit

  • Schock, Verwirrtheit, Müdigkeit

  • Durchfall

  • Kopfschmerzen

  • Atemlähmung bis hin zum Atemstillstand

  • Blaufärbung der Lippen 

  • Herz-Kreislauf-Versagen

Die Vergiftungssymptome zeigen sich normalerweise schon gleich nach dem Kontakt mit der giftigen Substanz.

Weil Vergiftungen schwer einschätzbar sind, kontaktieren Sie bitte sofort einen Giftnotruf für Kinder.  Auch bei einem bloßen Verdacht auf eine Vergiftung sind die Notruf-Mitarbeiter der richtige Ansprechpartner.

Vergiftung mit Medikamenten

Die Mehrzahl der Vergiftungen, die sich Kleinkinder zuziehen, wird vom Schmerzmittel Paracetamol hervorgerufen. Das bei Erwachsenen beliebte Medikament hat eine stark leberschädigende Wirkung.

Sie tritt ein, wenn die Tageshöchstdosis (50 mg pro Kilogramm Körpergewicht) überschritten wird. Ab der dreifachen Maximaldosis wirkt Paracetamol lebensbedrohlich. Als Eltern können Sie die Vergiftung Ihres Kindes nicht klar erkennen, weil es lediglich Übelkeit, Erbrechen und Schmerzen im Unterbauch hat. Am Folgetag tritt scheinbar eine Besserung ein, obwohl die Leber zwischenzeitlich geschädigt wurde. Am dritten Tag kommt es oft zu lebensgefährlichen Blutgerinnungsstörungen, zu Unterzuckerung und Nierenversagen

Verglichen damit ist das Verschlucken der Antibabypille für ein Kind recht harmlos. Die nach zwölf Stunden auftretenden Magen-Darm-Störungen gehen bald von allein vorüber.

Extrem gefährlich für kleine Kinder sind laut Angaben des BfR Medikamente gegen Diabetes, Herzrhythmusstörungen, Allergien sowie Psychopharmaka und Schilddrüsenhormone.

In diesem Fall holen Sie bitte gleich den Rettungsdienst. 

Vergiftung des Kindes mit Haushaltschemikalien

Waschmittel, Geschirrspülmittel und Rohrreiniger werden in attraktiven bunten Verpackungen verkauft und erregen damit natürlich die Aufmerksamkeit kleiner Kinder. Die in Putzmitteln vorhandenen Tenside schäumen im Magen auf und können dann eingeatmet werden. Sie verursachen Magenreizungen, Erbrechen und Husten. Hat Ihr Kind Waschmittel gegessen, geben Sie ihm bitte einen Teelöffel Entschäumer wie SAB Simplex mit Simeticon. Versuchen Sie aber bitte nicht, Ihr Kind zum Erbrechen zu bringen und ihm viel Flüssigkeit einzuflößen. 

Eine Vergiftung mit tensidhaltigem Haushaltsreiniger gilt als eher harmlos. Bedrohlich wird es jedoch mit Rohr- und WC-Reinigern und Entkalkern für Kaffeemaschinen. Geben Sie Ihrem Kind sofort etwas Wasser oder Tee zu trinken und kontaktieren Sie ein GIZ. Führen Sie aber bitte kein Erbrechen herbei, weil Sie damit die Verätzungen in der Speiseröhre noch verschlimmern. Hat Ihr Baby eine große Menge Rohrreiniger getrunken, rufen Sie bitte sofort den Rettungsdienst an.

Eine Spülmittelvergiftung tritt mit folgenden Anzeichen auf:

  • Bauchschmerzen

  • Übelkeit

  • Erbrechen

  • Schwindel

  • Kopfschmerzen

  • Verwirrtheit mit Halluzinationen

  • Gesichtsblässe oder geröteter Haut

  • zu schnellem oder zu langsamem Puls

Auch bei der Vergiftung des Babys mit Spülmittel kann es schlimmstenfalls zu Bewusstlosigkeit, Atem- und Herz-Kreislauf-Stillstand kommen. Um Ihrem Kind schnellstmöglich helfen zu können, müssen Sie zuerst herausfinden, was Ihr Kind geschluckt hat und wie viel davon. Rufen Sie dann sofort die Giftnotrufzentrale für Kinder an. Und beantworten Sie alle Fragen des Mitarbeiters möglichst genau. Sie gelten natürlich für alle Arten von Vergiftungen.

Sie benötigen:

  • die Bezeichnung des Mittels/der Pflanze

  • die Art, wie es/sie in den Körper gelangt ist (verschluckt, ins Auge geraten, Hautkontakt, eingeatmet)

  • die ungefähre Menge 

  • die seit der Vergiftung vergangene Zeit

  • die Vergiftungssymptome

  • Alter und Gewicht Ihres Kindes

Halten Sie sich danach bitte strikt an die Anweisungen des Giftnotrufs. Nach dem Anruf führen Sie die allgemeinen bei Vergiftungen angewendeten Erstmaßnahmen durch. Hat sich Ihr Baby erbrochen, bringen Sie es bitte in die Seitenlage oder beugen Sie seinen Oberkörper nach vorne (Kinder), damit das Erbrochene nicht in die Atemwege gelangt. Überprüfen Sie bitte regelmäßig Puls und Atmung. Zeigt Ihr Kind starke bis lebensbedrohliche Symptome, lassen Sie es bitte sofort in die Klinik bringen.

Pflanzenvergiftungen bei Kindern

Unfälle mit Giftpflanzen kommen hierzulande recht selten vor, weil die meisten Pflanzen und Gehölze ungiftig sind. Von den wenigen in Mitteleuropa heimischen Gewächsen sind außerdem nicht alle Pflanzenteile giftig. In Deutschland zählen Stechapfel, Tollkirsche, Bilsenkraut, Schierling, Rizinus, Blauer Eisenhut, Engelstrompete, Herbstzeitlose und Goldregen zu den gefährlichen Pflanzen. Verantwortlich für die oft schon durch normalen Hautkontakt ausgelösten Vergiftungserscheinungen sind Alkaloide wie Skopolamin (Engelstrompete) und Aconitin (Blauer Eisenhut). 

Auch die bei Gartenbesitzern beliebte Eibe ist bis auf das rote entkernte Fruchtfleisch giftig. Hat Ihr Kind Pflanzenteile von der Eibe gegessen, zeigt sich die Vergiftung mit Bauchschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Bewusstlosigkeit. Später treten Atemlähmung und Herzstillstand auf. Die tödliche Substanz Taxin befindet sich in den Samen und den Nadeln des Baumes. Glücklicherweise spucken Kinder die in den Mund gesteckten Pflanzenteile oft schnell wieder aus, weil sie einen unangenehmen Geschmack haben. 

Giftpflanzen lösen im Körper meist starke Übelkeit aus, sodass das Erbrechen die Aufnahme einer größeren Menge des Gifts verhindert. Im schlimmsten Fall kommt es zu Reizungen der Magenschleimhaut und zu Durchfall.

Hat Ihr Kind sich Teile einer giftigen Pflanze in den Mund gesteckt, entfernen Sie sie bitte sofort und spülen Sie den Mund gut mit Wasser aus.

So verdünnen Sie das aufgenommene Gift. Holen Sie sich bitte von einem GIZ Hilfe. Bei schwereren Vergiftungssymptomen lassen Sie Ihr Baby bitte sofort ins Krankenhaus bringen. 

Alkoholvergiftungen bei Babys und kleinen Kindern

Auch Alkohol kann für Kinder gefährlich sein. Insbesondere sehr junge Kinder können schon durch geringe Mengen Alkohol starke Gesundheitsschäden davontragen, weil ihre Organfunktionen noch nicht ausgereift sind.

Außerdem hat der Alkohol bei ihnen wegen ihres geringen Körpergewichts eine stärkere Wirkung. Bei Kleinkindern reichen bereits 0,5 Promille aus, um eine Bewusstlosigkeit herbeizuführen. Eltern können zudem die Vergiftung ihres Kindes nur schwer erkennen, weil es ohne den bei Erwachsenen auftretenden Rausch ins Koma fällt.

Eine leichte Alkoholvergiftung ruft beim Kleinkind folgende Symptome hervor:

  • Desorientiertheit

  • scheinbar grundloses Erbrechen

  • Alkoholfahne

  • Herzrasen

  • Schweißausbrüche

  • Zittern

Flößen Sie Ihrem Kind bitte eine zuckerhaltige Flüssigkeit ein, um die Unterzuckerung zu beseitigen. Danach legen Sie es auf die Seite oder auf den Bauch (Babys), damit es das Erbrochene nicht einatmet. Wärmen Sie es mit einer Decke, um eine Unterkühlung zu verhindern.

Wird Ihr Kind bewusstlos, verständigen Sie bitte sofort den Rettungsdienst.

Sorgen Sie zwischenzeitlich dafür, dass seine Atemwege frei sind und überprüfen Sie regelmäßig Puls und Atmung. Atmet es nicht mehr, führen Sie so lange Wiederbelebungsmaßnahmen durch, bis die Atmung wieder einsetzt. Bringen Sie es anschließend in die stabile Seitenlage. 

Lebensmittelvergiftungen

Vergiftungen mit Nahrungsmitteln werden von kleinen Kindern schlechter verkraftet, weil sie verglichen mit Erwachsenen weniger Magensäure und ein noch nicht ausgereiftes Abwehrsystem haben. Lebensmittelvergiftungen gehen mit Symptomen wie Durchfall, Erbrechen, krampfartigen Bauchschmerzen und starker Übelkeit einher. Manchmal ruft die Vergiftung beim Kind sogar Fieber hervor.

Starke Vergiftungen verursachen Schleim und Blut im Stuhl und Benommenheit. Durch das häufige Erbrechen und die Durchfälle kann es zu einem gefährlichen Wasser- und Elektrolytmangel kommen. In diesem Fall hilft die Verabreichung von Flüssigkeit und Nährstoffen (Infusion). 

Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Vergiftungen von Kindern

Generell gilt: Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und beruhigen Sie Ihr Baby. Hatte Ihr Kind Hautkontakt mit dem Giftstoff, spülen Sie die Hautstelle mit Wasser ab.

Hat Ihr Baby das Gift in den Mund genommen, spülen Sie ihm bitte den Mund gründlich aus. Bei einer Medikamentenvergiftung heben Sie die Originalverpackung auf. Im Fall von Pflanzenvergiftungen packen Sie bitte die im Mund befindlichen Pflanzenteile oder Beeren ein, damit das Krankenhaus ihre Herkunft bestimmen kann. 

Wie Sie Vergiftungen bei Kindern vorbeugen können

Vergiftungen von Kleinkindern können Sie mit bestimmten Vorsichtsmaßnahmen vermeiden.

Beachten Sie aber bitte, dass sich alle Familienmitglieder an diese Regeln halten müssen.

  • Lassen Sie Ihr Kind bitte nicht unbeaufsichtigt.

  • Räumen Sie Medikamente nach dem Gebrauch immer gleich weg.

  • Farbige Pillen ähneln Bonbons und sind daher für Kinder interessant, schließen Sie sie am besten in Ihrer Hausapotheke ein.

  • Kaufen Sie nur Haushaltsreiniger mit kindersicheren Verschlüssen und belassen Sie sie in der Originalflasche mit dem Gefahrenzeichen. In Saftflaschen umgefüllte Chemikalien werden von kleinen Kindern oft für Saft gehalten und getrunken.

  • Lagern Sie Spül-, Putz- und Waschmittel in einem Oberschrank oder abschließbaren Unterschrank. Und räumen Sie sie nach dem Einkauf sofort weg. 

  • Lassen Sie bitte Alkoholika nicht auf dem Tisch herumstehen. Insbesondere Alkohol-Mix-Getränke und süße Alkoholika (Likör) werden von kleinen Kindern gern getrunken. 

  • Verzichten Sie bitte auf giftige Pflanzen in Ihrer Wohnung, auf dem Balkon und im Garten.

  • Werfen Sie aufgeblähte Konservendosen und Verpackungen von Fleischprodukten sofort weg.

  • Sorgen Sie außerdem dafür, dass Ihr Kühlschrank immer kälter als 5 °C ist.

  • Achten Sie auf gute Hygiene bei der Essenszubereitung und Lagerung und geben Sie Ihrem Kind keine rohen oder halbgaren Lebensmittel zu essen.

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