Nierenversagen
In Deutschland leben mehr als 60.000 dialysepflichtige Menschen. Die meisten von ihnen leiden unter terminalem Nierenversagen, sie befinden sich im Endstadium der chronischen Niereninsuffizienz. Hauptursachen hierfür sind unter anderen Diabetes mellitus, Bluthochdruck, chronische Glomerulonephritis und Pyelonephritis (Nierenerkrankungen) oder das polyzystische Nierenleiden. Im Endstadium der chronischen Niereninsuffizienz zeigen sich sogenannte Urämiezeichen.
Was eine Urämie ist und wie die Symptome sind, erfahren Sie in diesem Beitrag. Lesen Sie zudem, welche Möglichkeiten der Therapie bei Urämie zur Verfügung stehen und wie die Prognose aussieht.
Was ist eine Urämie?
Die terminale Niereninsuffizienz, also die Nierenschwäche im Endstadium, oder die plötzliche Harnvergiftung sind akute oder chronische Erkrankungen der Niere.
Alle damit verbundenen Symptome werden unter dem Begriff „Urämie“ zusammengefasst. Weil die Hauptaufgaben der Niere die Filtration des Blutes und die Harnbildung sind, reichert sich das Blut mit harnpflichtigen Substanzen an (Ur- = Urin und -ämie = Blut).
Ursächlich kann das akute Nierenversagen, beispielsweise aufgrund eines schweren Traumas oder nach einer großen Operation, oder das chronische Nierenversagen bei fortschreitendem Untergang der Nierenkörperchen sein.
Die verringerte Nierenfunktion macht sich schon nach kurzer Zeit bemerkbar. Denn zum einen scheidet die Niere nach der Blutwäsche harnpflichtige Substanzen über den Urin aus und nimmt dadurch direkten Einfluss auf den Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Base-Haushalt.
Zum anderen ist die Niere an der Bildung oder Synthese wichtiger Hormone wie EPO und Calcitriol beteiligt. Während beim akuten Nierenversagen die Urämie nur wenige Tage auftritt, bleibt sie beim chronischen Nierenversagen in Teilen bestehen.
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Ursachen des Nierenversagens
In der Medizin wird zwischen prärenalem, renalem und postrenalem Nierenversagen unterschieden. Die Bezeichnung definiert den Ort, an dem eine Störung auftritt, sodass die Niere in ihrer Funktion beeinträchtigt wird.
Prärenales Nierenversagen beschreibt eine Störung vor der Niere, also im Körperkreislauf meist aufgrund einer Minderdurchblutung. Renales Nierenversagen wird für alle Erkrankungen und Dysfunktionen herangezogen, bei dem die Nieren selbst Ursache sind. Postrenales Nierenversagen entsteht, wenn nach der Niere eine Abflussbehinderung vorliegt, sodass der Harn in die Nieren zurückstaut und diese schädigt.
Akutes Nierenversagen tritt meist aufgrund mangelnder Durchblutung im Rahmen einer großen Operation, nach einem Unfall oder bei schweren Verbrennungen sowie bei komplizierten Nierenentzündungen, Tubulusnekrose, Harnstauung oder Vergiftungen auf und ist in der Regel reversibel.
Chronisches Nierenversagen hingegen ist eine schleichende Krankheit, die zum Untergang der kleinesten Einheiten in der Niere, der Nierenkörperchen, führt.
Ursachen hierfür sind vor allem:
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jahrelanger erhöhter Blutzucker und damit einhergehende diabetische Nephropathie
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jahrelanger erhöhter Blutdruck und damit einhergehende vaskuläre Nephropathie
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chronische Nierenentzündungen
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angeborene Nierenfehlbildungen oder zahlreiche Zysten (polyzystische Nierenkrankheit)
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jahrelanger Schmerzmittelkonsum mit einhergehender Analgetika-Nephropathie
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Erkrankungen der nierenversorgenden Blutgefäße
Aufgrund der zunehmenden Morbidität von ernährungsbezogenen Erkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus ist das chronische Nierenversagen weitaus häufiger als das akute. In beiden Fällen jedoch liegt die Ausscheidungsleistung der Niere weit unter der normalen Kapazität. Schon bei einer Einschränkung von etwa 50 % entsteht eine Urämie mit klassischen Symptomen.
Symptome bei Nierenversagen
Symptome der Urämie
Die Urämie zeigt sich in einem sehr vielfältigen Bild, denn die Anreicherung harnpflichtiger Substanzen im Körper (Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin) sowie den Urämietoxinen Guanidinderivate, Phenole und Indole, die Erhöhung von Kalium, Magnesium und Phosphat, die Verringerung von Natrium, Bicarbonat und Calcium sowie die Minderproduktion von Hormonen hat direkte und indirekte pathophysiologische Zusammenhänge im Organismus.
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Haut: Juckreiz, bräunlich-gelbe Färbung, Depigmentierungen
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Verdauungstrakt: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Magengeschwür, Aszites
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Blut: Anämie, Thrombopenie, Koagulopathie
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Herz und Kreislauf: Ödeme, Hypertonie, Perikarditis
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Lunge: Lungenödeme, Atemnot, Pleuraerguss
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Skelettsystem: Osteopathie, Amyloidose (z. B. als Karpaltunnelsyndrom)
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Nervensystem: Polyneuropathie, Restless-Legs-Syndrom, Konzentrationsprobleme, Verwirrung, Epilepsie, Hirnödeme, Bewusstlosigkeit bis Koma
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Hormonsystem: Impotenz, Ausbleiben der Menstruation, Wachstumsstörungen bei Kindern
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Gicht
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allgemeine Einschränkung der Zellteilung und Zellvermehrung
Stadien des Nierenversagens
Die chronisch progrediente Nierenerkrankung kann jahrelang kaum Symptome zeigen und dann sehr plötzlich in Erscheinung treten. Das liegt daran, dass auch bei Untergang von Zellen die verbleibenden Nierenkörperchen die Arbeit der abgestorbenen anfangs noch übernehmen und dadurch die fehlende Filtrationsleistung kompensiert wird. Erst wenn zu viel Gewebe zerstört ist, bricht dieses System zusammen und die Symptome sind dann umso deutlicher.
Die einzelnen Stadien des Nierenversagens werden über die glomeruläre Filtrationsrate gemessen und geben Auskunft, wie viel ml Blut die Nieren noch filtern können. Der Normalwert liegt zwischen 95 und 135 ml pro Minute. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt pro Dekade die Nierenleistung physiologisch aufgrund des Alterungsprozesses um etwa 8 ml ab.
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Stadium 1: mehr als 90 ml/min
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Stadium 2: 60 – 90 ml/min
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Stadium 3: 30 – 60 ml/min
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Stadium 4: 15 – 30 ml/min (präterminales Nierenversagen)
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Stadium 5: weniger als 15 ml/min (terminales Nierenversagen)
Risiken und Folgen der Urämie
Unbehandelt führen die Symptome der Urämie zum Koma und letztendlich zum Tod. Auch Folgeerkrankungen durch die Urämie wie Herzinsuffizienz, Lungeninsuffizienz oder Organblutungen sind häufig und mit einer ebenso hohen Mortalität verbunden.
Daher sollten Betroffene sich unbedingt bei Vorliegen einer Nierenerkrankung an einen niedergelassenen Nephrologen wenden. Dieser kann mithilfe einfacher Maßnahmen eine Basistherapie in die Wege leiten, den Verlauf der chronischen Nierenerkrankung beobachten und bei Verschlechterung rasch intervenieren.
In den meisten Fällen erkennen die Betroffenen Veränderungen an ihrem Körper genau und können die Ursachen am besten durch einen Arzt abklären lassen.
Ist die Niere der Grund, so können Urämie-Symptome meist schnell und unkompliziert behandelt werden, sodass die Funktion der Organe so weit wie möglich erhalten bleibt.
Möglichkeiten der Behandlung bei Nierenversagen
Bei Vorhandensein einer Urämie steht die Entgiftung des Körpers an erster Stelle. Hierzu können entweder Medikamente zu Anregung der Nierentätigkeit (Diuretika) herangezogen werden oder es kommt eine Nierenersatztherapie (Dialyse) zum Einsatz.
Die Dialyse befreit den Körper von Giftstoffen und neutralisiert den Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt. Bei terminaler Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Urämie ist das Nierenersatzverfahren meist aber als eine Übergangslösung zu sehen, denn nur die Organtransplantation bringt langfristig wieder Lebensqualität für die Betroffenen.
Zudem müssen Maßnahmen ergriffen werden, damit der Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt wieder normalisiert wird. Auch hierfür gibt es spezielle Pharmazeutika.
Zudem sollten die Betroffenen eine spezielle eiweißarme und kalorienreiche Diät einhalten. Die Trinkmenge richtet sich nach der Nierenleistung und der Ausscheidung. Je besser diese ist, umso eher können die Patienten uneingeschränkt Flüssigkeit aufnehmen. Ziel ist die Vermeidung von Exsikkose oder Ödemen.
Des Weiteren ist es unabdingbar, die zugrundeliegende Erkrankung zu behandeln. Bei Menschen mit Diabetes mellitus ist die Normalisierung des Blutzuckerspiegels obligat. Personen mit Bluthochdruck sollten diesen konsequent senken (unter 130/80 mmHg).
Weitere Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen, Schmerzmittel etc. sollten konsequent vermieden werden. Hormone wie Erythropoetin verabreicht der behandelnde Arzt per Spritze, damit der Körper rote Blutkörperchen bilden kann. Auch Vitamin D sollte oral supplementiert werden.
Heilungschancen bei Urämie
Die Urämie tritt in Erscheinung, wenn die Nieren nicht mehr ihre gewohnte Leistung erbringen können und sich dadurch das Blut mit harnpflichtigen Substanzen anreichert sowie ein Ungleichgewicht des Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushaltes entsteht.
Viele der Urämie-Symptome sind reversibel, wenn rechtzeitig eine Therapie eingeleitet wird. Je länger die Urämie jedoch besteht, umso unwahrscheinlicher ist eine Kuration. Denn zum einen können sich die zerstörten Nierenkörperchen nicht mehr regenerieren und zum anderen können auch Zellen in anderen Organen nicht immer neu gebildet werden.
Daher lässt sich grundsätzlich sagen, dass eine Urämie bei akutem Nierenversagen in der Regel immer reversibel ist, die Heilungschancen bei chronischem Nierenversagen jedoch eingeschränkt sind.
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Kurz und knapp: Nierenversagen und Urämie
Urämie ist eine Harnvergiftung bei akuter Niereninsuffizienz oder bei terminalem Nierenversagen. Ursache ist die eingeschränkte glomeruläre Filtrationsrate, sodass die Ausscheidung des Urins abnimmt. Infolgedessen reichern sich im Blut harnpflichtige Substanzen, sowie überschüssige Elektrolyte und Säuren an. Gleichzeitig fehlen dem Körper verschiedene Stoffe und Hormone, die für viele Körperfunktionen unabdingbar sind.
Deshalb zeigt sich das Krankheitsbild der Urämie in vielfältigen Symptomen: Übelkeit, Erbrechen, Benommenheit, Blutungsneigung, Bluthochdruck, Ödeme, starker Juckreiz, Gelbfärbung der Haut oder Atemnot.
Bei ausgeprägter Urämie ist die Dialyse unabdingbar. Liegt eine akute Niereninsuffizienz vor, so kann die Nierenersatztherapie bis zur vollständigen Kuration die Entgiftung des Körpers übernehmen. Bei chronischer Niereninsuffizienz ist die Dialyse meist dauerhaft erforderlich und mit weiteren Anpassungen bei der Ernährung und Lebensführung verbunden.
Ob akute oder chronische Niereninsuffizienz – die Urämie führt ohne Behandlung zum urämischen Koma und letztendlich zum Tod.