Gütesiegel und Zertifikate in Krankenhäusern

Sie sind auf der Suche nach einem Experten für Ihre Krankheit oder Verletzung? Bei Ihrer Recherche stoßen Sie mit Sicherheit auf den deutlichen Verweis der Krankenhäuser, dass sie zertifiziert sind und bestimmte Auszeichnungen oder Gütesiegel haben. 

Doch was sagen Zertifikate eigentlich aus? Wer vergibt sie? Und sind sie wirklich von Bedeutung oder werden Gütesiegel und Zertifikate einfach von den Kliniken eingekauft? Lesen Sie in diesem Beitrag alles Wissenswerte und Informative zum Thema Gütesiegel und Zertifikate in Krankenhäusern.

Was sind Gütesiegel und Zertifikate?

Es gibt in Deutschland keine Zertifizierungspflicht, dennoch lassen sich zahlreiche Kliniken zertifizieren. Das hat einen ganz banalen Grund. Denn in den letzten 15 Jahren schlossen etwa 20 % aller Krankenhäuser, gleichzeitig stieg die Patientenzahl um mehr als 25 % an. Zugleich verdoppelten sich die Ausgaben, weil immer mehr Menschen multimorbid oder chronisch erkrankt sind. So beschloss die Bundesregierung 2005, dass jedes Krankenhaus ein Qualitätsmanagement implementieren muss, damit Mittel und Wege gefunden werden, wie sich Wirtschaftlichkeit und Patientenwohl vereinbaren lassen.

Dieses Qualitätsmanagement in Kliniken befasst sich dann mit innerbetrieblichen Methoden, Prozessen und Strukturen des Krankenhauses. Um zu verdeutlichen, dass man sich mit dem Thema „Qualität“ auseinandergesetzt hat, ist eine Zertifizierung möglich. Diese sagt aber nichts über die Qualität der Behandlung aus, denn sie sind nicht als TÜV-Plakette zu verstehen. Ein Zertifikat oder ein Gütesiegel bedeutet nichts anderes, als eine Übereinstimmung von Gegebenheiten mit definierten Anforderungen.

Krankenhäuser können in drei Kategorien eingeteilt werden: 

  • Krankenhäuser mit Zertifikaten nach KTQ (Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen)

  • Krankenhäuser mit Zertifikaten nach ISO 9001

  • Krankenhäuser mit Zertifizierungen anderer Organisationen

Mittlerweile setzt sich auch die Zertifizierung nach ISO 31000 durch, eine Bewertung für den Bereich Risikomanagement.

Die meisten Kliniken erlangen zuerst ein Gütesiegel nach KTQ, weil der Einstieg einfacher und preiswerter ist. Doch im weiteren Verlauf versuchen viele Krankenhäuser auch Zertifikate aus dem Bereich ISO 9001 oder anderen zu erwerben. 

Wie erhalten Krankenhäuser ihre Auszeichnungen?

Im Rahmen des Qualitätsmanagements werden in spezifischen Fachgruppen Fragenkataloge für eine Zertifizierung formuliert. Diese stellen Kriterien dar, die ein Krankenhaus erfüllen muss. Demzufolge ist es nicht ausreichend, nach einer Selbstbewertung ein Zertifikat zu erhalten. 

In Deutschland sind KTQ, ISO 9001, Procumcert (PCC) und Joint Comission International (JCI) die Marktführer und vergeben die meisten Zertifikate jährlich. KTQ, ISO 9001 und PCC sind sich in ihren Grundzügen sehr ähnlich, sie haben ein sehr komplexes Bewertungssystem, bei dem einige Kriterien als Kernkriterien gesehen und mit dem Faktor 1,5 multipliziert werden. Um ein Zertifikat zu erhalten, müssen mindestens 55 Prozent der möglichen Punkte erreicht werden, wobei nicht weniger als 40 % durch die Kernpunkte ausgemacht werden dürfen. Die Prüfpunkte werden in einer Antwort bewertet, die wiederum Grundlage für eine Punktevergabe darstellt. Somit ist die Vergabe schwer überprüf- und nachvollziehbar. JCI hat als einzige Kommission die Prüffragen so gestellt, dass sie mit "Ja" oder "Nein" bewertet werden müssen und damit das Ergebnis einfach zu verstehen ist. 

In der Praxis beurteilen die Kliniken ihre eigenen Prozesse, Methoden und Strukturen vorab nach dem PDCA-Schema:

  • P: Ist-Situation beschreiben, Ziele und Methoden planen, Verantwortlichkeiten bestimmen

  • D: Umsetzung in der Praxis

  • C: Überprüfung und Abgleich

  • A: Ableiten von Maßnahmen zur Verbesserung oder Anpassung

Nach dem PDCA-Prozess kann der IST-Zustand mit den Kriterien für eine Zertifizierung abgeglichen werden. Je höher der Grad der Übereinstimmung ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Gütesiegels. Die Vorlage des PDCA-Prozesses ist Voraussetzung für den Antrag. 

Im Rahmen einer Visitation bewerten dann mehrere Personen aus einer Zertifizierungsstelle das Krankenhaus in den Professionen Medizin, Pflege und Ökonomie. Diese Prozedur zieht sich über mehrere Tage hin. Die Bewertung beinhaltet nicht nur kollegiale Dialoge, sondern auch Begehungen von Bereichen und Abteilungen unter Einhaltung von Intimsphäre und Datenschutz. Die Visitatoren hinterfragen auf Basis ihrer eigenen Erfahrungen die tägliche Praxis, Abläufe und Prozesse. Kurze Zeit später erhalten die Krankenhäuser den Visitationsbericht als schriftliche Rückmeldung. Der Bericht soll als Leitlinie gelten, um Verbesserungsvorschläge vonseiten der Visitatoren in Projekten von Qualitätszirkeln umzusetzen. 

Auf Grundlage des Visitationsberichtes wird ein Qualitätsbericht erstellt, der die Übereinstimmung des IST-Zustandes mit den Bewertungskriterien für Zertifizierungen darstellt. Die Visitatoren der Zertifizierungsstelle sprechen dann eine Empfehlung zur Vergabe eines Gütesiegels oder eines Zertifikates gegenüber den Zertifizierungsstellen aus. Im Rahmen der Zertifizierung werden dem Krankenhaus der Qualitätsbericht und das Gütesiegel oder das Zertifikat übergeben. 

Die Klinik hat dann die Möglichkeit, öffentlichkeitswirksam ihre Zertifizierung darzustellen. Denn ein Gütesiegel hat den Vorteil, dass einerseits die Besonderheiten eines Krankenhauses hervorgehoben und andererseits ähnliche Kliniken miteinander vergleichbar gemacht werden.

Die gängigen Gütesiegel und Zertifikate in Deutschland

Zertifizierung zu Kompetenzzentren für Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenchirurgie

Die Zertifizierung erhalten die jeweiligen Abteilungen von einer Vereinigung, die aus der CAEK (Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Endokrinologie) und der DGAV (Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie) gebildet wird. Sie ist unabhängig und hat in Anlehnung an KTQ und ISO 9001 einen eigenen Zertifizierungskatalog entworfen. 

Wenn Abteilungen das Zertifikat erhalten, dann führen sie die Behandlung von benignen und malignen Erkrankungen der Schilddrüse und Nebenschilddrüse sowie von neuroendokrinen Tumoren und Erkrankungen im Abdomen (Bauchraum) durch. Zudem behandeln sie Fehlbildungen, Funktionsstörungen und post-operative Zustände. Um das Zertifikat weiterhin zu behalten, müssen die Chirurgen zudem regelmäßig an qualifizierten Fortbildungsveranstaltungen teilnehmen und jährlich mindestens 16 Zertifizierungspunkte erwerben. 

Gütesiegel für hohe medizinische Qualität und Komfort-Niveau

Die private Krankenversicherung (PKV) vergibt dieses Gütesiegel an Krankenhäuser und Kliniken, die in den Punkten Patientensicherheit, Medizinqualität, Patientenzufriedenheit und Arztzufriedenheit beurteilt wurden. Das Bewertungsschema wurde speziell so entworfen, dass Kliniken ihre Daten in ein Online-Portal eingeben können und die PKV diese dann nur noch auswerten muss. 

Ein besonderes Augenmerk liegt beispielsweise auf der Ausstattung von Ein- und Zweibettzimmern, der Chefarztdichte oder den Wahlleistungsangeboten. Das Siegel wird jährlich neu vergeben.

Zertifiziertes Hernienzentrum

Das Gütesiegel wird durch die Deutsche Herniengesellschaft (DHG) verliehen. Auch sie hat ein spezielles Bewertungsverfahren entwickelt, das sich an das der ISO 9001 und KTQ orientiert. 

Um als zertifiziertes Hernienzentrum zu gelten, müssen jährlich mindestens 200 Hernienoperationen durchgeführt werden. Des Weiteren müssen die Kliniken Sprechstunden für Hernienpatienten mit dem Fokus prä- und postoperative Versorgung sowie für Schmerzmanagement einrichten. Das Klinikum verpflichtet sich, Morbiditätskonferenzen abzuhalten und die Chirurgen auf mindestens einen Fachkongress pro Jahr zu entsenden. Die Re-Zertifizierung kann nur stattfinden, wenn die Komplikationsraten unter einem festgelegten Prozentsatz liegen. 

FOCUS Top Mediziner

Diese Auszeichnung verleiht FOCUS, Abteilung Gesundheit, in Kooperation mit MINQ (MUNICH INQUIRE MEDIA GmbH) an mehrere tausend Mediziner aus den Bereichen Herz, Gefäße, Gelenke, Schmerz, Krebs, Zähne, Psyche und andere einmal pro Jahr. Basis dieser Bewertung sind Algorithmen, die ein Computer auswertet.

Die Kriterien sind beispielsweise Anzahl der durchgeführten Operationen, Studienteilnahmen, Bewertungen von Patienten, Nachweis über Fort- und Weiterbildungen, Titel bzw. Rang im Krankenhaus und Publikationen in Fach- und Laienkreisen. Zudem fließen Umfrageergebnisse mit medizinischen Fachgesellschaften, Empfehlungen von Patientenverbänden, Aussagen von Selbsthilfegruppen und wissenschaftliche Tätigkeiten bei der Bewertung mit ein.

Stroke Unit

Das Zertifikat für eine Stroke Unit wird vonseiten der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Deutschen Schlaganfall-Hilfe verliehen. Ein umfangreicher Kriterienkatalog in Anlehnung an DIN ISO 9001 bildet die Grundlage dafür. Das Zertifikat ist nur 3 Jahre gültig.

Punkte für die Vergabe sind nicht nur ein ausreichend gutes Verhältnis von Ärzten und Pflegekräften zu Patienten, sondern auch das Stroke-Konzept selbst. Zudem sind das Einzugsgebiet, die Anzahl der motorisierten Betten, das Verlegungsmanagement, die Überleitungspflege sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit ebenfalls wichtige Eckpfeiler für die Bewertung.

Chest Pain Unit

Das Zertifikat ist in Deutschland noch sehr jung und wird von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie vergeben. Als Grundlage dient der Kriterienkatalog in der amerikanische Version des JCI. 

Ziel ist es, in den Kliniken eine Struktur herzustellen, die Patienten mit akuten Brustschmerzen schnell und adäquat behandelt, bevor es zum Tod durch Herzinfarkt kommt. Dieses Zertifikat spaltet die Medizin: Während die einen eine Marketingstrategie dahinter sehen, um die Anzahl der Herzkatheterinterventionen zu steigern, unterstützen andere diesen Prozess, um die Patientenversorgung zu optimieren. 

EndoCert

Im Jahre 2009 bildeten Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik und dem Berufsverband für Unfallchirurgie und Orthopädie ein Expertengremium, welches auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse bestimmte Kriterien für eine Zertifizierung aufstellte. Ziel war einerseits eine bessere Versorgung von Patienten und andererseits eine Erhöhung der Patientensicherheit.

Die Zertifizierung findet in zwei Phasen statt: die erste Phase ist eine Begutachtung und Selbsteinschätzung, in der zweiten Phase besuchen zwei Visitatoren die Einrichtung und bewerten nach ihren Vorgaben. Das Zertifikat ist sehr gefragt, es muss auch nur alle 3 Jahre aufgefrischt werden.

BUND Gütesiegel „Energiesparendes Krankenhaus“

Das Gütesiegel ist eine Initiative des BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland) und des Landesverbandes Berlin e. V. Sie entwickelten einen Fragenkatalog, mit dem sie klimafreundliche Krankenhäuser hervorheben können.

Bundesweit erhalten die Kliniken das Zertifikat, die besondere Investitionen tätigen, um energiesparende oder energieeffiziente Lösungen sowie klimarelevante Maßnahmen und klimafreundliches Nutzungsverhalten im Sinne eines niedrigeren CO2-Ausstoßes zu unterstützen.

Zertifikat „Saubere Hände“

Seit dem Jahr 2011 ist es möglich, dass sich Kliniken im Sinne der „Aktion Saubere Hände“ zertifizieren lassen. Das Zertifikat ist in den Stufen Bronze, Silber und Gold erhältlich. Grundlage sind Daten, die von den Kliniken entsendet und detailliert analysiert werden. 

Ziel ist es, in der Klinik ein Bewusstsein für Händehygiene zu entwickeln und weitere Maßnahmen zur Händedesinfektion zu schaffen. So sollen vor allem nosokomiale Infektionen (im Krankenhaus erworben) verringert werden.

Zertifiziertes Gefäßzentrum

Die Deutsche Gesellschaft für Gefäßmedizin und Gefäßchirurgie hat einen Zertifizierungsantrag für ein Gütesiegel erstellt. 

m Mittelpunkt der 22 Kriterien stehen vor allem Sprechstunden, Rund-um-die-Uhr-Versorgung, Weiterbildung der Ärzte, hohe Fallzahlen, interdisziplinäre Zusammenarbeit und qualitätssichernde Maßnahmen. 

Zertifiziertes Brustzentrum

Seit 2003 bietet die Deutsche Krebsgesellschaft ein Zertifizierungsverfahren an, mit dem sich Kliniken auszeichnen lassen können. Ein Kriterienkatalog mit 173 Punkten wurde in einem umfangreichen, dreijährigen Prozess entwickelt und soll Orientierung für die Bemessung geben. 

Neben den gängigen fachlichen, strukturellen und prozessorientierten Nachweisen zur Qualitätssicherung verlangt die Deutsche Krebsgesellschaft jedoch auch einen Nachweis durch einen unabhängigen Gutachter. Damit hebt sich dieses Siegel von den meisten anderen ab.

KTQ-Zertifikat

Die KTQ bietet als GmbH 5 verschiedene Zertifizierungen im Gesundheitswesen an. Alle basieren auf den bekannten 6 Kategorien Patientenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Sicherheit, Führung, Informations- und Kommunikationswesen sowie Qualitätsmanagement. 

Neben der Selbstbewertung steht bei einem KTQ-Siegel auch die Fremdbewertung im Vordergrund. Nur so sei eine unabhängige Zertifizierung möglich. 

Qualitätssiegel „Babyfreundliches Krankenhaus“

Bereits 1991 wurde die Initiative „Babyfreundliches Krankenhaus“ von der WHO ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Kriterien Bindung, Entwicklung und Stillen zu verankern. So versuchen die Experten, alle Maßnahmen zur Sicherstellung dieser Grundkriterien in den Mittelpunkt zu rücken. 

Ein besonderes Augenmerk liegt beispielsweise auf der Möglichkeit des Rooming-In, persönliche Stillanleitungen, getrennte Stillbereiche, Beratung zu Wochenbettdepressionen und Überleitungsmanagement. 

Fazit

Ein Zertifikat oder ein Gütesiegel sagt noch nichts darüber aus, ob Sie sich als Patient in dem Krankenhaus aufgehoben fühlen oder ob Sie gut behandelt werden. Die Auszeichnung wird Kliniken verliehen, die sich mit Prozessen, Strukturen und Begebenheiten im Krankenhaus beschäftigen, um die Qualität zu steigern. Dies gelingt in vielen Fällen auch sehr gut, weil sich die Kliniken von anderen abheben möchten. Höhere Fallzahlen, weniger Ärzte, Pflegemangel oder Kosteneinsparungen machen manchmal leider auch das beste Zertifikat zunichte.

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